Streuobstwiesen

Anfang des 20. Jahrhunderts zählte das Gebiet des heutigen Landkreises Ludwigsburg zu den bedeutendsten Obstlandschaften Württembergs. Mit rund 400.000 Obsthochstämmen ist der Landkreis aber auch heute noch eine Hochburg des Streuobstbaus.

Als Streuobstbau bezeichnet man eine Form des extensiven Obstbaus, bei dem großteils starkwüchsige, hochstämmige und großkronige Obstbäume in weiträumigen Abständen stehen. Charakteristisch für Streuobstbestände ist die regelmäßige Unternutzung als Dauergrünland. Häufig sind Streuobstbestände aus Obstbäumen verschiedener Arten und Sorten, Alters- und Größenklassen zusammengesetzt. Im Unterschied zu modernen Dichtpflanzungen mit geschlossenen einheitlichen Pflanzungen ist in Streuobstbeständen stets der Einzelbaum erkennbar.
Die klassische Nutzung der Streuobstwiesen besteht aus einer mindestens einmaligen und maximal dreimaligen Wiesenmahd mit Abräumen des Mahdgutes sowie regelmäßigen Pflegeschnitten der Obstbäume.

Die Streuobstwiesen zählen zu den vielfältigsten und artenreichsten Lebensräumen unserer Kulturlandschaft. Durch ihr parkartiges Erscheinungsbild haben sie einen hohen Erholungswert. Sie haben dadurch eine sehr hohe Bedeutung für den Naturschutz und das Landschaftsbild.
Der hohe Artenreichtum ergibt sich vor allem aus der Kombination der extensiven Wiesennutzung und der alten, hochstämmigen Obstbäume, die mit ihrem vielfältigen Habitatangeboten (Kronenraum, Risse, Spalten, Baumhöhlen etc.) auf kleinem Raum zahlreichen Tieren und Pflanzen Brut- und Nahrungsräume bieten. Typische Arten der Streuobstwiesen sind zum Beispiel Steinkauz, Grünspecht, Wendehals, zahlreiche Fledermausarten, Siebenschläfer sowie auch zahlreiche Moose, Pilze und Flechten. Auf den Streuobstwiesen finden sich ferner zahlreiche traditionelle, lokale Obstsorten, die heutzutage kaum noch gehandelt werden und vom Aussterben bedroht sind.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Streuobstwiesen hat sich allerdings stark gewandelt. Einst waren die Früchte aus dem hochstämmigen Feldobstbau eine wichtige Einnahmequelle. Heute hingegen bringen Obstwiesen praktisch kaum mehr etwas ein, sie machen aber sehr viel Arbeit. Die Folge ist, dass viele Streuobstwiesen in der Pflege vernachlässigt werden, das Heu nicht mehr genutzt wird und die Obsternte manchmal ungenutzt liegenbleibt. Seit Jahrzehnten ist ein starker Rückgang der Streuobstwiesen zu verzeichnen. Viele Bestände sind gerodet worden, wachsen zu oder werden als Freizeitgrundstücke umgenutzt.     

Durch die Änderungen der Niederschlagsverteilung im Zuge des Klimawandels, d.h. vor allem durch ausbleibende Frühjahrsniederschläge, zunehmende Starkregenereignisse und langanhaltende Hitzeperioden in den Sommermonaten werden die Bestände zusätzlich zu den häufig nicht mehr regelmäßig erfolgenden Pflegemaßnahmen, welche insbesondere Äpfel als Rosengewächse für eine gesunde Entwicklung brauchen, stark in Anspruch genommen. Die Folgen lassen sich in den Beständen immer deutlicher erkennen: Zunahme von trockenstressinduzierten Baumkrankheiten wie Rindenrußbrand (Diplodia sp.), aber auch Schädlingen wie dem Apfelwickler (Cydia pomonella), einer sich in Streuobstbeständen vermehrenden Nachtfalterart und vor allem mangelnder Vitalität aufgrund (zeitweilig) stark absinkender Grundwasserspiegel und hoher Verdunstungs- und Evaporationsraten durch intensivere Sonnenstrahlung im Zuge des Treibhauseffekts.

Erfreulicherweise ist jedoch zu beobachten, dass wieder mehr Menschen – darunter viele junge Leute – ein zunehmendes Interesse am Streuobstbau haben. Die Nachfrage nach Obstwiesen zur Nutzung der Ernte, zur Pacht oder zum Kauf nimmt wieder zu.
Wenn Sie Interesse an der Nutzung einer Streuobstwiese haben, können Sie auf der Internet-Streuobstwiesenbörse für den Landkreis Ludwigsburg ein Gesuch aufgeben oder werden vielleicht bei den dortigen Angeboten fündig.